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20160125-222454
Kurzgeschichte von GuenterDollhaeubl

Der Follensby Clear LakeLake liegt genau 300 Meter vom Horseshoe Pond entfernt. Laut Karte ist dies nur ein „Hupfer“. Aber auch so eine kurze Strecke kann es in sich haben. Daher ist es ganz natürlich, dass man an einer Portage – sobald man den Landeplatz gefunden hat – einmal anlandet, das Boot vertaut, und auf Erkundung geht, falls man die Stelle nicht kennt. Unterwegs sieht man sich den Weg, Hindernisse, etwaige Steigungen, Rastplätze, etc. an. Dabei kann man gleich einmal den ersten Teil des Gepäcks mitnehmen, und am Rückweg noch einmal alles Wichtige einprägen. Dann das Kanu mit Hilfe des Partners auf die Schultern und los geht es. Der Partner geht vor, trägt Paddel und das restliche Gepäck, und sagt Hindernisse falls notwendig an. Entsprechend der Länge einer Portage wird eine oder mehrere Pausen eingelegt, und eventuell übernimmt der Partner das Boot. An der Ablegestelle wird das Boot abgestellt, neu bepackt, und ab geht es in den nächsten See oder Fluss. Alles ganz einfach - in der Theorie. Die Praxis sieht oft ganz anders aus. Abhängig von Wetter, Tageslicht, Gepäck, Moskitos und Ähnlichem versucht man eine Portage so schnell wie möglich zu bewältigen. Immer mit dem Wissen, dass schon 1000e vor einem gegangen sind, und es daher ja nicht so schwierig sein kann.

Wir landen also zielsicher an der Ausstiegstelle an, die durch die aufgewühlte Erde am Ufer gut erkennbar ist. Dies geht auch mit etwas Schwung und das Boot schiebt sich über freiliegende Wurzeln der großen, das Ufer dicht abschirmenden Bäume bis zur Hälfte aus dem Wasser. Wie üblich springt der Vordermann, in diesem Fall die Trude, aus dem Boot um es seitlich zu stabilisieren. Dann geh ich raus. Und rein in den knöcheltiefen Gatsch der Anlandestelle. Wir ziehen das Boot zur Gänze ans Ufer. Zwei Sachen passierten dann gleichzeitig, während ich noch überlegte, ob meine eingeschlafenen Beine in den Kampfschlapfen im kalten Dreck auch wirklich einen guten Stand haben. Trude rutscht beim letzten Ruck des Bootes aus und setzt sich in den Schlamm, und ich merke, dass sich die ersten 10 Moskitos eines sich in Sekundenschnelle aufbauenden Schwarms auf mein Gesicht stürzen. Drei Sekunden später sind wir beide in Panik. Ich mach meiner Frau in einem sicher nicht jugendfreien Ton klar, dass ihre nasse, dreckige Hose momentan nicht das größte Problem sei, sondern die sich über uns aufbauenden dunklen Kerzen aus kreisenden Blutsaugern. Ich reiß den Sack aus dem Boot und schmeiß ihn zusammen mit den Paddeln in die Richtung in der ich den Weg zum Horseshoe See vermute. Dann zurück, und mit einer kurzen Kraftanstrengung das Kanu kieloben gedreht. In kurzen aber sehr anschaulichen Worten erklärte ich Trude was die Moskitos mit ihr machen werden, falls sie mir nicht sofort das Boot auf die Schultern hebt, und sich selbst den Sack schnappt und im Laufschritt diese feuchte und ungemütliche Stelle verlassen würde. Ich bin mir aber bis jetzt nicht sicher, ob die durch den dreckigen Hosenboden in ihrer Ehre gekränkte Frau mir überhaupt zugehört hat. Hunderte kleine Flugkörper waren aber doch das überzeugende Argument. Also hebt sie den Bug des Kanus an. Ich klettere unter den Bootskörper, stecke meinen Nacken zwischen das Joch und hebe das Boot an. Eine Prozedur in der ich inzwischen Übung habe. Ich versuche im Dreck einen guten Stand zu bekommen und ziehe dann das Kanu vorne runter, damit es hinten in die Höhe schwingt. Kaum habe ich das Boot ausbalanciert, gehe ich los. Gar nicht so einfach. Ich muss genau schauen wo ich in diesem Sumpf hin steige um nicht auszurutschen, oder das Gleichgewicht zu verlieren. Doch irgendwie geht es und sobald ich die Masse in Schwung gebracht habe, schiebt mich das Boot auf den Schultern vorwärts. Ich setze die Beine automatisch einen vor dem anderen. Im Wald ist es auch moorig, aber doch etwas leichter zu gehen. Zumindest gibt es keine versteckten Steine über die man stolpern kann, und auch keine engen Kurven, bei denen man mit dem Kanu an Bäume stößt, und leicht das Gleichgewicht verliert. Aber kaum ein paar Meter von der Anlandestelle entfernt beginne ich zu keuchen und der Schweiß schießt mir aus der Stirn. Zeitgleich sammeln sich auch die ersten Geschwader der lokalen Moskitos unter dem Boot. Ihr Surren wird durch den Bootskörper um ein Vielfaches verstärkt. Zum Glück kenne ich diese Situation bereits von einigen anderen Gelegenheiten und verfalle nicht in Panik. Ich versuche die Biester zu ignorieren und konzentriere mich auf den Weg. Diese Taktik funktioniert nur bedingt. Irgendwie scheinen die Tiere zu wissen, dass man unter dem Boot vollkommen hilflos ist, da man die Hände ja zum Ausbalancieren des Kanus benötigt. Also versucht man sich mit Kopf schütteln und pusten zu verteidigen. Aber es gelingt natürlich einigen der lästigen Blutsauger im Gesicht, auf den Ohren, und am Nacken zu landen, und ihre Bohrer zu starten. Einzig und allein der Mückenspray verhindert, dass sich nicht 100e Tiere gleichzeitig auf mich stürzen, und so lässt es sich so halbwegs aushalten. Kaum 60 Sekunden später und vielleicht 80 Meter weiter lädt eine starke Eiche mit einem tief hängenden Ast zu einer Pause ein, die ich dankend annehme. Ich lehne also das Kanu an den Ast und beginne dann Moskitos und Schweiß mit dem Handrücken aus meinem Gesicht zu entfernen. Trude hatte inzwischen geistesgegenwärtig den Mückenspray aus dem wasserdichten Sack gefischt, und setzt sich selbst unter eine Wolke von Gift. Obwohl ich den Geruch dieses Mittels nicht leiden kann, stelle ich mich auch artig mit geschlossenen Augen und Mund zur Bestäubung auf. Mit einer Schicht Abwehrmittel, welches sich mit dem Schweiß gut vermengt, klemme ich mir das Boot wieder auf die Schultern und wandere weiter durch den Wald. Laut Karte keine 200 Meter. In der Realität wahrscheinlich auch nicht mehr, aber sie fühlen sich sehr viel länger an. Ohne weiteren Zwischenfall kommen wir an der Einstiegsstelle an. Ich werfe das Boot ab, wir schmeißen den Sack rein und schon schiebe ich es samt meiner Frau in den See hinaus. Auch der Hosenboden der nun den Sitz des Bootes verdreckt, kann uns nicht am Ufer festhalten. Ein paar Paddelschläge später ziehen sich auch die hartnäckigsten Quälgeister zurück, und warten auf die nächsten vorbeikommenden Kanufahrer.

Dies ist sicher ein ganz alltägliches Erlebnis für einen Kanuten, aber ein paar Augenblicke bittere Realität für jene, die einen verklärten Blick über die romantische Tätigkeit des Kanu Fahrens haben.